Türkei: Ursprungszeugnis und Ursprungsnachweis
Durch Bekanntgabe der Änderung in der Zollverordnung im türkischen Amtsblatt vom 24. Mai 2019 wird die Handhabung von Ursprungsnachweisen im EU-Türkei Warenverkehr neu geregelt. Unser Kooperationspartner und Zollexperte Abdulkerim Kuzucu hat die neue Rechtslage für Sie zusammengefasst.
Durch Bekanntgabe der Änderung in der Zollverordnung[1] ist u.a. die sog. „Exporter’s Declaration“, die von EU-Exporteuren eigenständig ausgefüllt werden konnte und bisher einer türkischen Zollstelle als handelspolitischer Ursprungsnachweis ausreichte, weggefallen. Die Exporter’s Declaration wird von den türkischen Zollbehörden somit zum jetzigen Stand nicht mehr als Ursprungsnachweis akzeptiert.
Die Änderungen in der Zollverordnung sehen u.a. vor, dass für Waren, welche aus der EU mit einer A.TR Warenverkehrsbescheinigung geliefert werden und in der Türkei einer handelspolitischen Maßnahme, einem Anti-Dumping-Zoll[2], einem Zusatzzoll[3] oder Ausgleichszoll[4] unterliegen, grundsätzlich kein Ursprungszeugnis durch die türkische Zollverwaltung zu fordern ist, es sei denn, dass das türkische Handelsministerium die Waren als „Risikowaren“ einstuft.[5] Offiziell wurde am 27. Mai 2019 ein Erlass des Handelsministeriums veröffentlicht, wonach nun bei jedem Import individuell geprüft werden soll, ob nach dem türkischen Zollsystem BILGE[6] die jeweilige Ware als „Risikoware“ eingestuft ist bzw. ein Ursprungszeugnis verlangt wird. Handelt es sich um eine „Risikoware“, ist ein Ursprungszeugnis erforderlich, um die Anwendung der entsprechenden handelspolitischen Maßnahme zu vermeiden.
Zum jetzigen Zeitpunkt wurden weder die Kriterien zur Risikobewertung bekanntgegeben noch eine offizielle „Liste der Risikowaren“ veröffentlicht, so dass EU-Exporteure kaum in der Lage sein werden, eigenständig und im Vorfeld zu prüfen, ob für ihre Waren ein Ursprungszeugnis benötigt wird oder nicht. Es ist derzeit – nach Rücksprache mit staatlichen Stellen – davon auszugehen, dass alle Waren, die in der Türkei einer handelspolitischen Maßnahme, d.h. insbesondere einem Anti-Dumping-Zoll, Ausgleichzoll oder Zusatzzoll unterliegen, als „Risikowaren“ eingestuft werden und daher die Ausnahme von der Vorlagepflicht eines Ursprungszeugnisses in der Praxis kaum umgesetzt wird.
Des Weiteren stellt der Erlass vom 27. Mai 2019 die Rechtslage in Bezug auf Waren mit präferenziellem Ursprung in einem Staat der diagonalen Kumulierungszone (PAN-EUR-MED / Regionales Übereinkommen)[7] klar. Für diese Waren wird ein Zusatzzoll[8] (bitte beachten: gemeint ist ausschließlich ein Zusatzzoll, türkisch: Ilave Gümrük Vergisi) nur dann nicht erhoben, wenn durch den EU-Exporteur neben der A.TR Warenverkehrsbescheinigung eine präferenzielle (Langzeit)Lieferantenerklärung nach dem Beschluss 1/2006 ausgestellt wird. Ein Ursprungszeugnis reicht in diesen speziellen Fällen zur Vermeidung des Zusatzzolls nicht aus.
Es ist daher ratsam, bei Lieferungen in die Türkei grundsätzlich ein Ursprungszeugnis oder bei präferenziellem Ursprung in einem Staat der diagonalen Kumulierungszone eine (Langzeit)Lieferantenerklärung auszustellen.
Zur Vermeidung von unnötigem Aufwand, empfehlen wir jedoch, die gehandelten Waren im Hinblick auf eine mögliche Betroffenheit von einer handelspolitischen Maßnahme, insbesondere einem Anti-Dumping-Zoll, Ausgleichzoll und/oder Zusatzzoll, im Vorfeld zu überprüfen bzw. überprüfen zu lassen. Denn die Ausstellung eines entsprechenden Ursprungsnachweises ist oftmals mit viel Mühe verbunden und macht nur Sinn, wenn der Importeur in der Türkei tatsächlich einen Vorteil hat und der Aufwand des Exporteurs mit einer möglichen Zolleinsparung des Importeurs in einem angemessenen Verhältnis steht.
Diese Stellungnahme wurde durch unseren Kooperationspartner Chromit-Erz Außenwirtschaftsagentur erstellt. Den offiziellen Lagebericht inkl. Übersetzungen der wichtigsten türkischen Fundstellen erhalten sie HIER.
Bei speziellen zollrechtlichen Fragen zur EU und Türkei stehen Ihnen die Experten unserer Kanzlei zur Verfügung.
[1] Änderung der Zolldurchführungsverordnung, Amtsblatt Nr. 30783 vom 24.05.2019
http://www.resmigazete.gov.tr/eskiler/2019/05/20190524-2.htm
[2] Türkisch: Anti-Damping Vergisi
[3] Türkisch: Ilave Gümrük Vergisi (IGV)
[4] Türkisch: Ek Mali Yükümlülük (EMY)
[5] vgl. Art. 205 Abs. 4 Buchst. ç Zolldurchführungsverordnung https://www.mevzuat.gov.tr/Metin.Aspx?MevzuatKod=7.5.13472&MevzuatIliski=0&sourceXmlSearch=g%C3%BCmr%C3%BCk
[6] Zollsystem vergleichbar wie in Deutschland ATLAS
[7] Staaten mit denen eine diagonale Kumulierung im Warenverkehr mit der Türkei aktuell möglich ist: Europäische Union (EU), Türkei (TR), Schweiz (CH), Liechtenstein (LI), Island (IS), Norwegen (NO), Färöer (FO), Ägypten (EG), Israel (IL), Jordanien (JO), Marokko (MA), Tunesien (TN), Albanien (AL), Bosnien und Herzegowina (BA), Montenegro (ME), Mazedonien (MK), Serbien (RS) und Moldau (MD). Vgl. PAN-EURO-MED-MATRIX zur Türkei auf WuP-Online: https://wup.zoll.de/wup_online/matrix.php?landinfo=TR&stichtag=24.08.2017&gruppen_id=30&position=
[8] Türkisch: Ilave Gümrük Vergisi (IGV)