Stromsteuer: Urteil des FG Mecklenburg-Vorpommern zur Frage der Verklammerung mehrerer Anlagen bei der Stromsteuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG
Mit Urteil vom 14. Dezember 2022, 3 K 271/21 hat das FG Mecklenburg-Vorpommern zur Frage der Stromsteuerbefreiung für kleine Anlagen (mehrere BHKW) als eine einzige oder als mehrere Anlagen Stellung genommen.
Das FG hat entschieden, dass Blockheizkraftwerke (BHKW), die räumlich einige Kilometer voneinander entfernt, also nicht an demselben Ort aufgestellt sind, und zwischen denen auch keine technischen Verbindungen oder gemeinsamen Steuerungsmöglichkeiten bestehen, nicht bereits aufgrund ihrer jeweiligen Fernsteuerbarkeit, die entsprechend den Vorgaben des EEG allein dazu dient, die Stromerzeugung der einzelnen BHKW zu reduzieren, als eine einzige Anlage anzusehen sind.
Ausgangssituation
Die Beteiligten streiten um die Befreiung von der Stromsteuer für kleine Anlagen (bis 2 MW Nennleistung) nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 b) StromStG, namentlich um die Frage, ob mehrere Blockheizkraftwerke (BHKW) für die Anwendung der Steuerbefreiungsvorschrift als eine einzige Anlage oder als mehrere Anlagen anzusehen sind. Die Klägerin betrieb im Streitjahr 2015 insgesamt sechs BHKW. Fünf dieser BHKW waren seit dem 01. April 2015 fernsteuerbar. Die Fahrweise der BHKW folgte der Wärmenachfrage im örtlichen Versorgungsnetz; es handelte sich also um sogenannte wärmegeführte BHKW. Die fünf ferngesteuerten BHKW hatten jeweils eine elektrische Nennleistung von unter 1 MW, die Summe aller Einzelnennleistungen lag über 4 MW. Die Klägerin belieferte ausschließlich ihre Kunden (Letztverbraucher) in der näheren räumlichen Umgebung. Im Übrigen waren sämtliche Befreiungsvoraussetzungen zwischen den Parteien unstreitig, so dass es einzig auf die Bewertung der Anlagennennleistung ankam.
Die Klägerin wollte für das gesamte Jahr 2015 jede Anlage einzeln betrachten und damit die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 b) StromStG für Anlagen bis 2 MW Nennleistung erlangen. Das beklagte Hauptzollamt versagte die Stromsteuerbefreiung ab dem 01. April 2015, da die einzelnen Einheiten fernsteuerbar und somit zu verklammern waren. Bemerkenswert dabei war, dass die für eine Verklammerung grundsätzlich maßgebliche Vorschrift des § 12b Abs. 2 StromStV in der im Streitjahr geltenden Fassung (noch) nicht das für eine zentrale Steuerung relevante Merkmal der Fernsteuerbarkeit nach dem EEG beinhaltete. Der Beklagte vertrat die Ansicht, dass die neue Fassung des § 12b Abs. 2 StromStV ab dem 18. Mai 2016 lediglich der Klarstellung dienen sollte.
Erwägungen des FG
Zur Auslegung des Anlagenbegriffs respektive der Anlagennennleistung zog das FG im Streitfall die Vorschrift des § 12b Abs. 2 S. 1 StromStV in der vom 01. August 2013 bis zum 17. Mai 2016 geltenden Fassung heran. Danach gelten Stromerzeugungseinheiten an unterschiedlichen Standorten als eine Anlage zur Stromerzeugung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG, sofern die einzelnen Stromerzeugungseinheiten zum Zweck der Stromerzeugung zentral gesteuert werden.
Gegen das Vorliegen einer zentralen Steuerung respektive einzigen Anlage sprach aus Sicht des FG zunächst, dass die BHKW räumlich einige Kilometer voneinander entfernt, also nicht an demselben Ort aufgestellt waren. Zwischen den einzelnen BHKW bestanden auch keine technischen Verbindungen oder gemeinsamen Steuerungsmöglichkeiten, die trotz der räumlichen Trennung das Vorliegen einer einzigen Anlage begründen könnten, führte das FG weiter aus. Zwar seien die BHKW unstreitig fernsteuerbar, die Fernsteuerbarkeit diene jedoch nur dazu, jeweils die Stromerzeugung des einzelnen BHKW zu reduzieren. Dies entspräche lediglich den Vorgaben des EEG, um die Marktprämie zu erhalten. Dadurch allein werde keine technische Verbindung zwischen räumlich voneinander entfernten Anlagen hergestellt. Dass die BHKW der Klägerin – über die Fernsteuerbarkeit hinaus – technisch miteinander verbunden sind und somit zusammen ein einziges sogenanntes „virtuelles Kraftwerk“ bilden, wie es die Verordnungsbegründung vorsah, konnte nach Ansicht des FG nicht festgestellt werden.
Hinweis für die Praxis
Die Frage der Verklammerung mehrerer Anlagen ist im Rahmen der Stromsteuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG weiterhin von zentraler Bedeutung und letztlich entscheidend dafür, welche und ob letztlich überhaupt eine Steuerbefreiung für den erzeugten Strom gewährt werden kann. Die zum Teil divergierenden Auslegungsweisen von Rechtsprechung, Gesetzesbegründung und Zollverwaltung sorgen dabei in Einzelfällen für massive Rechtsunsicherheit. Wir empfehlen daher eine regelmäßige Überprüfung Ihrer Erzeugungsanlagen im Hinblick auf die Anwendbarkeit der Verklammerungsvorschriften.
Die Revision wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen und ist beim BFH anhängig (Verfahren BFH - VII R 6/23).
Für Fragen zu dieser Thematik steht Ihnen der Verfasser dieser Meldung, Rechtsanwalt Stefan Ulrich, gerne zur Verfügung.
Quelle:
https://www.landesrecht-mv.de/bsmv/document/STRE202370187/part/L