Generalanwalt des EuGH: Arbeitgeber soll Zollschuldner bei Verfehlungen der Beschäftigten werden
Der Generalanwalt am EuGH, Nils Wahl, hat in der Rechtssache Ultra-Brag AG gegen Hauptzollamt Lörrach (C-679/15) seine Schlussanträge vom 26. Oktober 2016 gestellt.
In dem Verfahren, welches das FG Baden-Württemberg veranlasst hat, geht es um die Frage, ob und inwieweit die Zollschuld nach Art. 202 Abs. 3 des Zollkodex (Zollschuld bei vorschriftswidrigem Verbringen von Waren, sog. Einfuhrschmuggel) in der Person des Arbeitgebers (eine juristische Person) entsteht, wenn der zuständiger Mitarbeiter im Rahmen der ihm übertragenen Aufgaben bzw. seiner Zuständigkeit die Waren vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Union verbracht hat. Es geht also im Kern um die Frage, ob der Arbeitgeber für Fehlverhalten seiner Beschäftigten als Zollschuldner einstehen muss. Der Generalanwalt bejaht dies.
Dies hat auch entscheidende Bedeutung für die nach Art. 212a ZK vorgesehene Möglichkeit, dass trotz dieser Unregelmäßigkeiten dennoch eine Abgabenbefreiung gewährt werden kann, was aber nur möglich ist, wenn keine betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit vorliegt. Dies hängt dann auch von der Bewertung der Handlungen des Mitarbeiters ab, so der Generalanwalt.
In dem Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalt hat der handelnde Mitarbeiter die Wiedereinfuhr von Waren seines Arbeitgebers in Deutschland veranlasst, obwohl zu diesem Zeitpunkt das Grenzzollamt nicht geöffnet hatte. Die Waren sind also ohne Gestellung in Deutschland wiedereingeführt worden, woraufhin das HZA Lörrach Zoll in Höhe von 122.470,07 Euro gegenüber dem Arbeitgeber, der Ultra-Brag AG, festsetzte.
Der Generalanwalt schlägt dem Gerichtshof vor, die Fragen des Finanzgerichts Baden-Württemberg wie folgt zu beantworten:
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Art. 202 Abs. 3 erster Gedankenstrich ZK ist dahin auszulegen, dass eine juristische Person nach dieser Bestimmung Zollschuldnerin wird, wenn einer ihrer Beschäftigten, der nicht ihr gesetzlicher Vertreter ist, im Rahmen der ihm übertragenen Aufgaben und/oder im Rahmen seiner Zuständigkeit Waren vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Union verbracht hat.
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Art. 202 Abs. 3 zweiter Gedankenstrich ZK ist dahin auszulegen, dass eine juristische Person nach dieser Bestimmung Zollschuldnerin wird, wenn einer ihrer Beschäftigten, der nicht ihr gesetzlicher Vertreter ist, sich im Rahmen der ihm übertragenen Aufgaben und/oder im Rahmen seiner Zuständigkeit am vorschriftswidrigen Verbringen von Waren in das Zollgebiet der Union beteiligt hat, sofern der Arbeitgeber wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass das Verbringen vorschriftswidrig war, was in Bezug auf den mit der Sache befassten Beschäftigten festzustellen ist.
- Art. 212a ZK ist dahin auszulegen, dass bei der Beurteilung, ob im Verhalten eines „Beteiligten“ (im Fall einer juristischen Person) betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit liegt, nicht nur auf die Gesellschaft selbst oder ihre gesetzlichen Vertreter, sondern auch auf jeden im Rahmen der ihm übertragenen Aufgaben und/oder im Rahmen seiner Zuständigkeit handelnden Beschäftigten abzustellen ist.
Hinweis: In der Regel folgt der EuGH den Empfehlungen des Generalanwalts. Sollte hier der EuGH dem Generalanwalt folgen, so wäre die Festsetzung der Zollschulden gegenüber der Ultra-Bag AG rechtmäßig. Indes dürfte dann noch das FG Baden-Württemberg zu beurteilen haben, ob in dem Fehlverhalten des handelnden Mitarbeiters eine offensichtliche Fahrlässigkeit, also ein so großes Ausmaß an vermeidbarem Fehlverhalten vorlag, dass dies im Sinn des Art. 212a ZK zum Versagen der Abgabenbefreiung (hier ggf. Präferenz für Schweizer Ursprungsware) führt.
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