FG Hamburg: Strom zur Stromerzeugung, begünstigungsfähige Neben- und Hilfsanlagen einer in Kraft-Wärme-Kopplung betriebenen Stromerzeugungseinheit nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 StromStV

Mit Urteil vom 6. September 2021, 4 K 36/19, entschied das FG Hamburg zugunsten der Klägerin, dass der Gasverdichter, die sekundäre Gastrocknung und die Kühlkreispumpe des sekundären Kühlkreises der streitbefangenen Blockheizkraftwerke begünstigungsfähige Neben- und Hilfsanlagen einer Stromerzeugungseinheit im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 StromStV seien und der Klägerin somit der volle Entlastungsanspruch nach § 12a StromStV diesbezüglich zustehe.

In dem Verfahren stritten die Beteiligten über die Entlastungsfähigkeit von Strom zur Stromerzeugung gemäß § 12a StromStV, welchen die Klägerin zum Betrieb zweier Blockheizkraftwerke (BHKWs) verwendete, mit denen in Kraft-Wärme-Kopplung Strom und Wärme erzeugt wurden. Den Strombedarf der BHKWs deckte die Klägerin über strombesteuerte Entnahmen aus dem öffentlichen Versorgungsnetz. Die Frage, welche Anlagen als Neben- und Hilfsanlagen noch der Stromerzeugungseinheit zuzurechnen und damit begünstigungsfähig sind, führte in der Vergangenheit häufig zu Diskussionen und wurde seitens der Zollverwaltung regelmäßig sehr eng ausgelegt. Streitig waren im vorliegenden Fall insbesondere die Frage, ob die Stromentnahmen für den Betrieb des Gasgebläses, des Gaskühlgeräts und der Sekundärpumpe im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 12 Abs. 1 StromStV dem Grunde nach privilegierungsfähig sind.

Das in den BHKWs eingesetzte Rohbiogas wurde zunächst mittels eines Gasgebläses, das als Gasverdichter wirkt, in der Gasleitung auf einen Überdruck von 10 mbar verdichtet, um den für den Verbrennungsprozess erforderlichen Druck zu erreichen. Das primärentschwefelte Biogas musste überdies in einem zusätzlichen Bearbeitungsschritt feinentschwefelt werden, um schädliche Schwefelablagerungen in den Motoren, Abgasrohren und Wärmetauschern zu verhindern. Hierzu musste der Brennstoff je nach Feuchtigkeitsgehalt zusätzlich sekundärgetrocknet werden. Die Sekundärtrocknung wurde durch Kondensation mittels eines Kühlaggregats zur Gaskühlung realisiert. Die zudem erforderliche Kühlung der Motoren erfolgte über einen primären Kühlkreislauf sowie mittelbar über einen sekundären Wasserkreislauf, welcher über Sekundärpumpen erreicht wurde. Der Gesamtstromverbrauch der Motorkühlung war bei der Wärmeabführung über die Sekundärpumpe stets geringer als unter Einsatz von Notkühlern.

Das HZA lehnte den Antrag der Klägerin teilweise ab mit der Auffassung, das Gasgebläse und die sekundäre Gaskühlung dienten lediglich der grundsätzlich nicht begünstigungsfähigen Brennstoffvorbereitung. Ebenso wenig sei die Sekundärkreispumpe begünstigungsfähig.

Das FG Hamburg trat der Auffassung des HZA entgegen und gab der Klage in vollem Umfang statt. Es sah in allen drei Konstellationen eine zu begünstigende Entnahme von Strom zur Stromerzeugung im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 StromStV. Die Stromentnahmen für den Betrieb des Gasgebläses seien privilegierungsfähig, da sein Betrieb für die Brennstoffversorgung der Verbrennungsmotoren - der Stromerzeugungseinheiten gemäß § 12 Abs. 1 StromStV - bereits technisch zwingend erforderlich sei.

Bei der Gaskühlungsanlage handele es sich um eine begünstigungsfähige Neben- oder Hilfsanlage, da sie den nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 StromStV erforderlichen engen Bezug zur Stromerzeugung aufweise. Insbesondere stelle die Entschwefelung wie auch der Kühlungsprozess keine Brennstoffherstellung, sondern eine Form der Brennstoffvorbereitung dar. Diese sei im konkreten Fall auch begünstigungsfähig, da ohne sie die rechtlich zwingende und im technischen Zusammenhang mit der Stromerzeugung stehende Rauchgasreinigung durch Katalysatoren und damit der Betrieb der Stromerzeugungseinheiten unmöglich wäre.

Auch die Stromentnahmen für den Betrieb der sekundären Kühlkreispumpe sieht das Gericht als privilegierungsfähig an. Sie entsprächen den von § 12 Abs. 1 Nr. 1 StromStV und insbesondere von der einschlägigen BFH-Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen für Stromentnahmen zur Stromerzeugung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG. Zudem bezieht sich das FG Hamburg auch auf die EuGH-Rechtsprechung, wonach im Lichte der Energiesteuerrichtlinie (RL 2003/96/EG) auch das Ziel der Förderung umweltpolitischer Ziele berücksichtigt werden müsse. Zu differenzieren sei überdies zwischen einer obligatorischen Befreiung nach Art. 14 Abs. 1 lit. a) der Richtlinie 2003/96, der bei der Stromerzeugung heranzuziehen sei, und der fakultativen Befreiung in Art. 15 Abs. 1 lit. c) der Richtlinie 2003/96 für solche Energieerzeugnisse, die lediglich zur Wärmeerzeugung verwendet werden. So falle der Verbrauch der Sekundärpumpe unter die Befreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG bzw. Art. 14 Abs. 1 lit. a) RL 2003/96/EG, da nach Ansicht des FG ohne die Motorkühlung der Betrieb der Stromerzeugungseinheit gar nicht möglich wäre. Die von der Klägerin gewählte Form der Motorkühlung durch die Nutzung eines sekundären Wärmekreislauf sei angesichts der deutlich höheren Leistungswerte etwaiger Notkühler die sparsamste Möglichkeit der Stromerzeugung. Auch entspräche diese Würdigung den Aussagen im BMF-Erlass vom 7. Dezember 2005 (Az. III A 1 - V 4250/05/0004), wonach der in KWK-Anlagen anfallende Verbrauch von Neben- und Hilfsanlagen, die sowohl der Strom- als auch der Wärmeerzeugung dienen, nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG vollständig freizustellen sei.

Für Fragen zu dieser Thematik steht Ihnen der Verfasser dieser Meldung, Rechtsanwalt Stefan Ulrich, gerne zur Verfügung.

Quelle:

FG Hamburg, Urteil vom 06. September 2021, 4K 36/19