EuGH: Keine Entstehung von Einfuhrumsatzsteuer im Freihafen trotz Zollschuld

Der EuGH entwickelt seine im Jahr 2016 erstmals geäußerte Rechtsauffassung fort, wonach trotz einer Zollschuldentstehung (nun auch bei Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung nach Art. 203 ZK) im Freihafen keine Mehrwertsteuer entsteht, wenn die Waren nicht in den Wirtschaftskreislauf der EU gelangt sind (Urteil vom 1. Juni 2017, Rs. C-571/15 Wallenborn Transports SA).

Geklagt hatte die Wallenborn Transports SA, die Waren im Versandverfahren T1 in den damals noch existierenden Freihafen Hamburg beförderte. Indes wurden die Waren nicht bei der Bestimmungszollstelle gestellt und die Zollverschlüsse unzulässig entfernt. Infolge dessen entstand unzweifelhaft die Zollschuld durch Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung nach Art. 203 ZK (siehe Rn. 50 des Urteils).

Eine Mehrwertsteuerentstehung lehnte hingegen der EuGH ab. Die Entziehung fand in einer Freizone statt, die nach den Mehrwertsteuervorschriften jedoch nicht zum Inland zählen, so dass die Waren nicht als eingeführt gelten (Rn. 45 des Urteils). Folglich mangelt es an einem Entstehungstatbestand für die Mehrwersteuer (Rn. 52 des Urteils) wie auch einem dafür erforderlichen Ort der Einfuhr (Rn. 53). Der EuGH betont, dass ein Enstehungstatbestand vorliegen kann, wenn die Waren in den Wirtschaftskreislauf gelangen (Rn. 54). Vorliegend sind die Waren aber nachweislich wiederausgeführt worden.

Der EuGH hatte bereits in 2016 mit dem Urteil vom 2. Juni 2016, Eurogate Distribution und DHL Hub Leipzig, C-226/14 und C-228/14, eine neue Rechtsprechung entwickelt, die die in Deutschland über Jahrzente von der Zollverwaltung ausgübte Praxis neben einer Zollschuld (im Urteil aufgrund Pflichtenverstoß nach Art. 204 ZK) auch immer zwangsläufig eine Einfuhrumsatzsteuer zu erheben, beendete.

Tipp: Gerade Dienstleister, die selbst zum Zollschuldner werden (wie hier beim Entziehen) sollten immer genau prüfen lassen, ob auch die Einfuhrumsatzsteuer wirklich entstand. Die deutsche Zollverwaltung hat bisher nur verhalten auf die neueste Rechtsprechung des EuGH reagiert. Offenbar wird hier noch an einer Praxislösung gearbeitet - auch unter Berücksichtigung der Urteile der deutschen Finanzgerichte auf die gestellten Vorlagefragen. Für Fragen hierzu sprechen Sie bitte unseren Experten RA Thomas Peterka gern an!

Quellen:

EuGH Urteil vom 1. Juni 2017 Rs. C-571/15 Wellenborn Transports SA

EuGH Urteil vom 2. Juni 2016 Rs. C-226/14 und Rs. C-228/14 Eurogate Distribution und DHL Hub Leipzig