EuGH: Verzinsung von erstatteten Einfuhrabgaben in bestimmten Fällen
Der EuGH hat in seinem Urteil vom 18. Januar 2017 in der Sache Wortmann KG Schuhproduktionen (C-365/15) eine wegweisende Entscheidung hinsichtlich der Verzinsung von erstatteten Einfuhrabgaben getroffen.
Demnach muss der Erstattungsbetrag im Zeitraum von dessen Entrichtung bis zur Erstattung verzinst werden, wenn ein Mitgliedstaat Steuern oder Zölle gemäß einer Verordnung der Union erhoben hat, die vom Unionsgericht für ungültig oder nichtig erklärt worden ist.
In der Rechtssache hatte die Fa. Wortmann Schuhe mit Oberteil aus Leder mit Ursprung in der Volksrepublik China und in Vietnam eingeführt, die einem Antidumping-Zoll unterlagen, welche Wortmann auch zahlte. Der EuGH erklärte aber die zugrunde liegende Antidumping-Verordnung Nr. 1472/2006 teilweise für nichtig, woraufhin der Fa. Wortmann die Antidumping-Zölle wieder erstattet worden sind. Ein zusätzlich gestellter Antrag auf Verzinsung dieser Beträge blieb aber erfolglos, da insoweit im deutschen Recht eine solche nur bei der gerichtlichen Geltendmachung von Erstattungsbeträgen vorgesehen ist (sog. Prozesszinsen). Wortmann musst aber vorliegend die Beträge nicht bei einem deutschen Gericht einklagen, da die deutsche Zollverwaltung aufgrund der Nichtigerklärung der Antidumping-VO bereits die Erstattung der Antidumping-Zölle vornahm.
Das FG Düsseldorf, welches sich mit dem abglehnten Verzinsungsantrag zu befassen hatte, legte daraufhin dem EuGH die Frage vor, ob der im Zollkodex geregelte Verzinsungstatbestand (Art. 241 ZK) und das darin in Bezug genommene einzelstaatliche Recht auch im vorliegenden Fall die Pflicht zur Verzinsung für den Zeitraum von der Entrichtung der Abgaben bis zu ihrer Erstattung vorsehen muss.
Im Ergebnis hat der EuGH in der Tat eine Verzinsung für unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobene Einfuhrabgaben bejaht. Indes hat es diesen Anspruch nicht unmittelbar aus Art. 241 ZK abgeleitet. Er stellte insoweit fest, dass sowohl aus der Entstehungsgeschichte von Art. 241 des Zollkodex als auch aus dem Zusammenhang, in den sich diese Bestimmung einfügt, es sich nämlich ergibt, dass sie unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens keine Anwendung findet. Auch die Erstattungsregelung des Art. 236 ZK sieht insoweit keine Verzinsung vor.
Letztlich verwies der EuGH auf seine bisherige Rechtsprechung. Daraus ergibt sich, dass, wenn ein Mitgliedstaat Steuern oder Zölle gemäß einer Verordnung der Union erhoben hat, die vom Unionsgericht für ungültig oder nichtig erklärt worden ist, die Betroffenen, die die fraglichen Steuern oder Zölle entrichtet haben, grundsätzlich Anspruch nicht nur auf Erstattung der erhobenen Beträge, sondern auch auf deren Verzinsung haben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. September 2012, Zuckerfabrik Jülich, C‑113/10, C‑147/10 und C‑234/10, EU:C:2012:591, Rn. 65 bis 67 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Hinweis: Der EuGH hat deutlich gemacht, dass nicht jeder Erstattungsbetrag auch zu verzinsen ist. Insbesondere betrifft dies Einfuhrabgaben, die lediglich auf einen "Fehler bei der Berechnung beruhen". D.h., in den Fällen, in denen die Rechtsgrundlage für die Festsetzung und Erhebung der Zölle nicht für nichtig bzw. ungültig erklärt worden ist, kommt grundsätzlich keine Verzinsung in Betracht. Art. 241 i.V.m. der deutschen Abgabenordnung sieht insoweit nur eine Verzinsung vor, wenn zwischen der stattgebenden Entscheidung über einen Erstattungsantrag bis zur Auszahlung des Betrages mehr als drei Monate vergehen.
Ob und inwieweit die Entscheidung des EuGH auch auf die Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) angwendet werden kann, hat der EuGH nicht ausdrücklich dargelegt, da es in der Rechtssache allein um Antidumping-Zölle ging. Eine unmittelbare Anwendung des Urteils auch auf die EUSt wird abzulehnen sein. Denn die Mehrwertsteuer (hier EUSt) ist keine Einfuhrabgabe im Sinn des Art. 4 Nr. 10 ZK (siehe auch EuGH Urteil vom 29. Juli 2010, C-248/09 Pakora Pluss SIA). Dies dürfte auch unter dem Zollkodex der Union, der seit dem 1. Mai 2016 gilt, nicht anders zu bewerten sein (vgl. Art. 5 Nr. 20 UZK). Allerdings hat der EuGH im Urteil Wortmann auf seine bisherige Rechtsprechung zur Verzinsung (Urteil vom 27. September 2012, Zuckerfabrik Jülich, C‑113/10, C‑147/10 und C‑234/10) Bezug genommen und deutlich gemacht, dass, wenn ein Mitgliedstaat Steuern oder Zölle gemäß einer Verordnung der Union erhoben hat, die vom Unionsgericht für ungültig oder nichtig erklärt worden ist, die Betroffenen, die die fraglichen Steuern oder Zölle entrichtet haben, grundsätzlich Anspruch nicht nur auf Erstattung der erhobenen Beträge, sondern auch auf deren Verzinsung haben (Rn. 37). Der EuGH bezieht also seine Rechtsansicht zur Verzinsung sowohl auf Zollabgaben wie auch auf Steuern, wobei zu letzterem die Mehrwertsteuer bzw. Einfuhrumsatzsteuer zählt.
Für Fragen zur Verzinsung von Abgaben wenden Sie sich gern an Ihren Zollberater RA Thomas Peterka.
Quelle:
EuGH Urteil vom 18. Januar 2017 (C-365/15) Wortmann KG Schuhproduktionen