EuGH: Beförder kann zum Verbrauchsteuerschuldner werden
Der EuGH hat in einer aktuellen Entscheidung (Rs. C-279/19, WR) klargestellt, dass auch ein LKW-Fahrer zum Verbrauchsteuerschuldner werden kann, wenn die Steuer in einem anderen Mitgliedstaat entsteht.
Im Sachverhalt wurde Bier mit einem LKW nach Groß-Britannien gebracht (vor dem EU-Austritt), wofür anlässlich einer Kontrolle ein eVD (EMCS) vorgelegt wurde. Es stellte sich aber heraus, dass dieses eVD schon Gegenstand einer anderen Beförderung unter Steueraussetzung war. Folglich befand sich das Bier nicht unter Steueraussetzung, sondern im freien Verkehr. Daher erhob die britische Zollverwaltung die Biersteuer und nahm den LKW-Fahrer als Steuerschuldner in Anspruch, gleichwohl dieser von der Verbrauchsteuerpflichtigkeit der Ware nichts wusste.
Der EuGH bestätigte die Vorgehensweise und die Inanspruchnahme des LKW-Fahrers. Er hob hervor, dass es nicht darauf ankäme, ob der Fahrer wusste, dass Bier geladen war bzw., dass er es vernünftigerweise hätte wissen müssen. Denn die Steuerentstehungsnorm für die Verbringung von Waren des freien Verkehrs eines Mitgliedstaates in einen anderen sieht beim Kreis der Steuerschuldner kein solches subjektives Element vor (siehe Art. 33 Abs. 3 der Verbrauchsteuer-Systemrichtlinie 2008/118/EG). Daher reicht es für die Inanspruchnahme des Fahrers aus, dass er das Bier tatsächlich in den anderen Mitgliedstaat verbracht hat, also im Besitz des Bieres war, und dass es nicht Gegenstand eines Steueraussetzungsverfahrens (EMCS) war, auch wenn er dies letztlich nicht wusste.
Kommentar: Die Entscheidung des EuGH in der Rs. C-279/19 (WR) ist konsequent an den Verbrauchsteuerentstehungsnormen ausgerichtet. Im Einzelfall mag das Ergebnis unbillig sein, was der EuGH erkennt und den Fahrer auf die Möglichkeit eine Inanspruchnahme des Auftraggebers ("Regress") verweist. Dass dies in der Praxis wenig von Erfolg gekrönt sein wird, liegt auf der Hand. Eher sollte der unbescholtene Fahrer versuchen, einen Erlass der Steuer aus Billigkeitsgründen zu erwirken, wobei die Voraussetzungen hierfür auch sehr hoch sind. Alternativ wäre zu überlegen, ob LKW-Fahrer sich über eine Versicherung von solchen Steuerforderungen freihalten könnten, ggf. auch über eine Versicherung der Spedition, für die er gefahren ist.
Ein abschließender Hinweis noch auf die o.a. Verbrauchsteuer-Systemrichtlinie 2008/118/EG. Diese ist zwar noch in Kraft, aber zwischenzeitlich durch die neue Richtlinie 2020/262/EU ersetzt worden. Die Mitgliedstaaten setzen derzeit die neue Richtlinie in nationales Recht um, damit ab dem 13. Februar 2023 das neue Richtlinienrecht Anwendung findet. Insbesondere der in der EuGH-Rechtssache angesprochene freie Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten wird eine deutliche Änderung erfahren. Demnach wird auch für Waren des freien Verkehrs das IT-System EMCS verpflichtend zu nutzen sein. D.h., jeglicher grenzüberschreitende, gewerbliche Verkehr mit harmonisierten, verbrauchsteuerpflichtigen Waren zwischen den Mitgliedstaaten muss dann in EMCS gemeldet werden. Ist dies nicht der Fall, bspw. bei fehlender EMCS-Registrierung von Versender oder Empfänger, entsteht die Verbrauchsteuer. Steuerschuldner in diesen Fällen sind dann alle an der Beförderung beteiligten Personen. Der LKW-Fahrer wäre nur hier Schuldner, wenn er einer verbrauchsteuerrechtlichen Registrierung oder Zertifizierung bräuchte, was aber bei der Stellung nur als Frachtführer nicht der Fall ist. Ansonsten kann ein LKW-Fahrer auch künftig Schuldner bei einer Unregelmäßigkeit werden, wenn er sich hieran beteiligt hatte, was festzustellende Tatsachenfrage der Behörde bzw. des Gerichts werden wird.
Für Fragen zum Verbrauchsteuerrecht wenden Sie sich gern an RA Thomas Peterka.
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