BFH: (Keine) Stromsteuerentlastung für Unternehmen in Schwierigkeiten

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 19. Januar 2022 entschieden, dass einem Unternehmen in Schwierigkeiten - auch dann, wenn das Unternehmen in einen Konzern eingebunden ist und eine positive Fortführungsprognose gestellt werden kann - keine stromsteuerlichen Entlastungen gewährt werden dürfen.

Im Streitfall wies die Klägerin in ihrer Bilanz einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag aus. Ihre Anträge auf Stromsteuerentlastung nach § 9b und § 10 StromStG für das Kalenderjahr 2016 lehnte das zuständige Hauptzollamt mit der Begründung ab, dass die Klägerin ein Unternehmen in Schwierigkeiten (UiS) sei und daher nach Maßgabe des unionsrechtlichen Beihilferechts die beantragten Entlastungen nicht gewährt bekommen dürfe. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Der BFH bestätigte die Vorinstanz dahingehend, dass die Steuerentlastungen nach § 9b und § 10 StromStG aufgrund ihrer selektiven Wirkung staatliche Beihilfen seien und damit als solche dem Durchführungsverbot nach Art. 108 Abs. 3 Satz 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) unterlägen. Die Einstufung als grundsätzlich unzulässige Beihilfen ergebe sich wiederum auch daraus, dass das in Art. 108 Abs. 3 AEUV vorgesehene Prüfungsverfahren nicht beachtet worden sei und keine Ausnahmen nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV oder Art. 108 Abs. 4 AEUV bestünden.

Der BFH setzte sich insbesondere mit der Frage auseinander, ob ein Unternehmen auch dann in Schwierigkeiten im Sinne des Art. 2 Nr. 18 der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) sei, wenn zwar mehr als die Hälfte des gezeichneten Stammkapitals infolge aufgelaufener Verluste verloren gegangen ist, jedoch wegen der Einbindung des Unternehmens in einen Konzern eine positive Fortführungsprognose gestellt werden könne. Der BFH stellt hierzu klar, dass die AGVO bei der Definition eines Unternehmens in Schwierigkeiten in Art. 2 Nr. 18 Buchst. a AGVO konkret auf die einzelne GmbH abstelle, welche letztlich die Beihilfe beanspruche. Dieser auf bestimmte Gesellschaftsformen bezogene Unternehmensbegriff umfasse deshalb nicht einen Zusammenschluss mehrerer Unternehmen in einem Konzernverbund. Außerdem komme es nicht auf eine positive Fortführungsprognose an, da eine solche Einschränkung nach dem Wortlaut des Art. 2 Nr. 18 Buchst. a AGVO nicht vorgesehen sei. Dem Unionsgesetzgeber sei es gerade darauf angekommen, dass keine detaillierte Untersuchung der wirtschaftlichen Situation des Antragstellers notwendig ist.

Antragsteller müssen in diesem Zusammenhang als Anlage zu ihren Entlastungsanträgen betreffend die Energie- und Stromsteuer das Formular 1139 (Selbsterklärung zu staatlichen Beihilfen) einreichen und die entsprechenden beihilferechtlichen Angaben machen. Hier lauern nicht zuletzt aufgrund der COVID-19-Pandemie und den damit einhegenden beihilferechtlichen Sonder- und Übergangsregelungen diverse Fallstricke.

Für Fragen zu dieser Thematik steht Ihnen der Verfasser dieser Meldung, Rechtsanwalt Stefan Ulrich, gerne zur Verfügung.

Quelle:

BFH, Urteil vom 19. Januar 2022, VII R 28/19