BFH: Energiesteuerrechtliche Begünstigung von Wärmeverlusten in Fernwärmenetzen

Der BFH hat entschieden, dass einem Unternehmen (Versorger), welches ein Fernwärmenetz betreibt und dadurch als Unternehmen des produzierenden Gewerbes Erdgas zur Erzeugung von Wärme verbraucht, für die zum Ausgleich von Wärmeverlusten im Fernwärmenetz verwendeten Erdgasmengen die Energiesteuerentlastung nach § 54 EnergieStG zusteht.

Im Ausgangsfall betreibt ein kommunales Energieversorgungsunternehmen ein mit heißem Wasser ausgestaltetes Fernwärmenetz. Dem Netz entnehmen die an dieses angeschlossenen Verbraucher die im Wasser enthaltene Wäme über Wärmetauscher. Letztlich speist die Klägerin mehr thermische Energie in das Netz ein, als die Kunden, gemessen über Wärmemengenzähler, tatsächlich abnehmen (Netzverlust). Für diese Differenz beantragte die Klägerin unter Hinweis darauf, dass sie das Erdgas zur Erzeugung von im eigenen Unternehmen genutzter Wärme verwendet habe, eine Entlastung von der Energiesteuer nach § 54 Abs. 1 des Energiesteuergesetzes (EnergieStG).

Der BFH stellte klar, dass die Klägerin ein Unternehmen des produzierenden Gewerbes ist, deren Geschäftstätigkeit sowohl das Netzmanagement als auch die Erzeugung von Wärme und deren Vertrieb an die jeweiligen Endverbraucher umfasst. Um das Produkt Wärme anbieten und zu den jeweiligen Übergabestellen transportieren zu können, ist der Betrieb des eigenen Rohrleitungssystems unabdingbar und damit Voraussetzung für die Ausübung der nach § 54 Abs. 1 EnergieStG begünstigten Tätigkeit. Über dieses Netz hat die Klägerin Wärme im vereinbarten Umfang jederzeit an der Übergabestelle zur Verfügung zu stellen. Aufgrund dieser Umstände ging der BFH davon aus, dass die Klägerin die streitgegenständlichen Erdgasmengen, die auf den Verlustausgleich entfallen, i.S. des § 54 Abs. 1 EnergieStG im Rahmen des Netzmanagements zu eigenen betrieblichen Zwecken verheizt hat.

Schließlich urteilte der BFH, dass § 54 Abs. 1 Satz 2 EnergieStG dem nicht entgegensteht. Denn mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber die Fälle des sog. "Schein-contractings" einschränken und eine missbräuchliche Inanspruchnahme von Steuervorteilen verhindern. Solch ein Fall lag aber schon deshalb für den BFH nicht vor, weil die Klägerin die Wärme nicht nur erzeugt, sondern zum Teil auch tatsächlich selbst nutzt. Denn das zur Erzeugung der thermischen Energie verwendete Erdgas wurde mit dem Ziel eingesetzt, in dem von der Klägerin in ihrem Zuständigkeitsbereich betriebenen Fernwärmenetz eine bestimmte Betriebstemperatur zu erreichen und aufrechtzuerhalten. Ohne den Verlustausgleich wäre es der Klägerin nicht möglich gewesen, ihren vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen. Unter diesen Gesichtspunkten ist der Leitungsverlust untrennbar als mit der wirtschaftlichen Tätigkeit eines Energieversorgungsunternehmens verbunden anzusehen, das sich zur Belieferung seiner Kunden eines Rohrleitungsnetzes bedient.

Dabei sei nach dem BFH zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber nach § 2 Nr. 3 StromStG alle Unternehmen in die Begünstigung einbezogen hat, die dem Abschnitt E (Energie- und Wasserversorgung) zuzuordnen sind. Somit sollen nach der Intention des Gesetzgebers auch solche Unternehmen in den Genuss des Steuervorteils kommen, deren Tätigkeit auf die Verteilung von Dampf und Warmwasser beschränkt ist und die der Unterklasse 40.30.5 (Wärmeverteilung ohne Erzeugung) WZ 2003 zuzuordnen sind. Daraus folgt, dass auch der Betrieb eines zur Verteilung von Wärme notwendigen Fernwärmenetzes für sich gesehen grundsätzlich eine begünstigte Tätigkeit darstellt. Auch hinsichtlich der zur Aufrechterhaltung der im Fernwärmenetz erforderlichen Betriebstemperatur verwendeten Erdgasmengen ist die Klägerin somit als originärer und tatsächlicher Nutzer anzusehen. Andere Unternehmen können die durch dieses Erdgas erzeugte Wärme schon deshalb nicht nutzen, weil die dem Verlustausgleich dienende thermische Energie dem Betrieb des Fernwärmenetzes dient, d.h. in diesem verbraucht wird, und daher nicht gleichzeitig an einer Übergabestelle von Vertragspartnern der Klägerin dem Netz entnommen werden kann.

Quelle: BFH Urteil vom 8.11.2016, VII R 6/16

Tipp: Im Ausgangsfall hat der BFH die Entlastung nach § 54 EnergieStG für den Versorger bejaht. Darüber hinaus steht diesem aber auch die Entlastung nach § 55 EnergieStG zu, der sog. Spitzenausgleich, soweit die Voraussetzungen im Antragsjahr erfüllt werden. Die Bundesregierung hat kürzlich öffentlich bekannt gemacht, dass der Spitzenausgleich auch für das Kalenderjahr 2017 Unternehmen des produzierenden Gewerbes zusteht.

Für Fragen rund um die Energie- und Stromsteuer stehen Ihnen RA Thomas Peterka gern zur Verfügung.